Sommerberg Anlegerrecht - Schadensersatz

BWF-Stiftung: Urteil des LG Dortmund vom 10. Februar 2017 – Az. 3 O 140/16

Nach der Mitteilung zu dem von uns erstrittenen Urteil des LG Dortmund vom 10. Februar 2017 (Az. 3 O 140/16) haben wir Anfragen von Anwaltskollegen und geprellten Anlegern der BWF-Stiftung zu weiteren Einzelheiten der Gerichtsentscheidung erhalten, sagt Sommerberg-Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht André Krajewski.

Wir veröffentlichen daher nachfolgend den wesentlichen Inhalt des Urteils. Unserer Einschätzung zufolge werden jetzt Schadensersatzansprüche gegen Vermittler unter Bezugnahme auf die Entscheidung des LG Dortmund wesentlich einfacher durchsetzbar sein, so Krajewski weiter.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt (…) den Beklagten zu 1) aus § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen aus einem Anlageberatungs- bzw. Anlagevermittlungsvertrag in Anspruch.

Die Klägerin erwarb im Herbst 2013 bei der BWF-Stiftung das Goldprodukt „Gold Standard“ mit einer Kaufpreissumme von 80.000,00 €. Ein Agio oder sonstige Abschlussgebühren fielen nicht an. Das Geld sollte vertragsgemäß nicht an die Klägerin ausgeliefert, sondern für die Vertragslaufzeit kostenfrei bei der BWF-Stiftung nach einer Vertragslaufzeit von zwei Jahren zu einem Rückkaufskurs von 110 %, nach vier Jahren zu einem Rückkaufskurs von 130 % oder nach acht Jahren zu einem Rückkaufskurs von 180 % jeweils unabhängig vom dann bestehenden Goldkurs zurück zu erwerben.

Die BWF-Stiftung hatte zwischen August 2011 und Januar 2015 von rund 6.500 Kleinanlegern mehr als 57 Mio. € eingesammelt, meist über Vermittler. Als das bei Durchsuchungen im Februar 2015 beschlagnahmte BWF-Gold später bei der Bundesbank überprüft worden war, wurde festgestellt, dass von den vermeintlich vier Tonnen Edelmetall nur 324 Kilogramm echt waren. Der Rest war Füllmaterial, hauchdünn mit Gold überzogen oder gar mit Farbe besprüht. Anfang 2016 erhob die Berliner Staatsanwaltschaft Anklage gegen sechs Verantwortliche bei der BWF wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges sowie Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz. Das Landgericht Berlin (Az. 524 KLs 1/16) verhandelt hierüber seit dem 09.06.2016, ein Ende des Strafprozesses ist derzeit nicht absehbar.

Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte zu 1) ihr zu dem Geschäft geraten und es ihr ausdrücklich empfohlen habe. Der Kontakt zu dem Beklagten zu 1) sei auf dessen Initiative überhaupt erst zustande gekommen. Im Jahre 2013 habe es mit dem Beklagten zu 1) mehrere Gespräche in Bezug auf eine Goldanlage bei der BWF-Stiftung gegeben. Thema der Gespräche sei eine gute und sichere Geldanlage für die Klägerin gewesen. Wenige Tage vor dem Erwerb oder am Tage des Erwerbs habe es mit dem Beklagten zu 1) bei ihr zu Hause in Düsseldorf ein ca. 20- bis 30- minütiges Gespräch gegeben. Der Beklagte zu 1) habe ihr gegenüber gesagt, dass Gold im Moment die sicherste Geldanlage sei. Der Preis für Gold, so der Beklagte zu 1) ihr gegenüber weiter, werde auch weiter noch steigen, so dass Erträge für die Klägerin gesichert seien. Die Angelegenheit insgesamt sei absolut sicher und seriös. Der Beklagte zu 1) habe ihr auch gesagt, dass er selbst bei der BWF-Stiftung Gold erworben habe. Die Klägerin könne „ihr“ Gold schließlich auch in Berlin sehen, falls sie das wünsche.

Die Klägerin behauptet weiter, dass sie dem Beklagten zu 1) Vertrauen entgegengebracht habe und letztendlich dessen Empfehlung gefolgt sei. Sie habe eine bestehende Lebensversicherung aufgelöst und den Ertrag daraus für den Erwerb des Goldes verwendet. Bei ihr hätten Sicherheit und Substanzerhaltung der Geldanlage im Vordergrund gestanden. Ihr sei wichtig gewesen, dass das zu investierende Geld keinem Verlustrisiko ausgesetzt werden sollte. Der Beklagte zu 1) habe sie u.a. nicht darüber aufgeklärt, dass es sich bei dem Geschäftsmodell der BWF-Stiftung um ein unerlaubtes Einlagengeschäft im Sinne des KWG handeln könnte. (…)

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 1) wendet, zulässig und vollumfänglich begründet.

Der Beklagte zu 1) schuldet der Klägerin Schadensersatz in Höhe des investierten Betrags, weil er seine Pflichten im Zusammenhang mit der Vermittlung der Kapitalanlage verletzt hat. Dabei kann dahinstehen, ob die Rechtsbeziehung zwischen diesen Parteien als Anlageberatung oder bloße Anlagevermittlung mit Auskunftsvertrag zu qualifizieren ist; der Beklagte zu 1) hätte die Klägerin jedenfalls über den Charakter als erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft, das Risiko einer mangelnden Leistungsfähigkeit hinsichtlich der „garantierten Mindestrückzahlung“ und Unsicherheiten beim Erwerb von Miteigentum an dem Gold unterrichten müssen (vgl. zur Haftung von Anlageberatern bzw. –vermittlern im Zusammenhang mit dem Golderwerb bei der BWF-Stiftung: LG Nürnberg-Fürth, End-Urt. v. 30.12.2015 – 10 O 3994/15 – n.v., rechtskräftig nach Berufungsrücknahme: OLG Nürnberg – 3 U 227/16 -; außerdem: LG Hof, Versäumnisurt. v. 30.11.2015 – 13 O 370/15 – n.v., rechtskräftig; LG Berlin, Versäumnisurt. v. 04.12.2015 – 3 O 139/15 – n.v., rechtskräftig).

Die Pflichtverletzung des Beklagten zu 1) besteht darin, dass er es unterließ, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Golderwerb um ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft handelte.

Die BWF-Stiftung hatte den Anlegern bei dem Anlagemodell GOLD STANDARD versprochen, das Gold zu einem späteren Zeitpunkt zu einem bestimmten Preis zurückzunehmen. Das stellt ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft dar. Nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG gilt das unbedingte Versprechen, Gelder zu einem späteren Zeitpunkt zurückzuzahlen, als – nach § 32 Abs. 1 KWG erlaubnispflichtiges – Einlagengeschäft. Edelmetalle sind kein Geld, es sei denn, der Einleger kann – etwa bei Goldsparverträgen – eine Auszahlung nicht in Gold, sondern in Geld verlangen (vgl. Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG 5. Auflage 2016, § 1 Rn. 37; Reschke, in: Beck/Samm/Kokemoor, KWG, Loseblattausgabe, Stand: Oktober 2015, § 1 Rn. 81).

Dem Beklagten zu 1) ist danach vorzuwerfen, dass er die Klägerin nicht darauf hingewiesen hat, dass das Anlagemodell der BWF-Stiftung einer Erlaubnis nach dem KWG bedarf und deshalb die Gefahr eines Einschreitens der Aufsichtsbehörde BaFin – die wiederum zu einer Einstellung des Geschäftsbetriebs und damit zu nachteiligen Auswirkungen auf die Anleger – bestand.

Wer fremde Kapitalanlagen vertreibt, muss zu einer grundlegenden Beurteilung in der Lage sein, ob die Emittentin, Anbieterin o.ä. ihr Geschäft in legaler Weise betreibt. Dies erfordert jedenfalls eine grobe eigene Prüfung, ob das Anlagekonzept den Tatbestand eines Verbotsgesetztes, Erlaubnisvorbehalt o.ä. erfüllt. Der Vermittler oder Berater muss lediglich nicht – insoweit anders als die Anlagegesellschaft – nicht ohne besondere Anhaltspunkte infolge einer Gesetzesänderung auftretenden schwierigen und ungeklärten Rechtsfragen nachgehen, die er regelmäßig nur unter Inanspruchnahme sachkundiger Hilfe (Rechtsgutachten) abklären könnte (vgl. BGH, Urt. v. 01.12.2011 – III ZR 56/11 – NJW 2012, 380, Rn. 17).

Vorliegend war elementarer Bestandteil der von der Klägerin getätigten Kapitalanlage, dass der Anleger nach Ablauf einer bestimmten Laufzeit einen fest zugesandten Betrag zurückerhalt. Damit lag ein unbedingtes Versprechen vor, eine die Anlagesumme übersteigende Summe (110 % nach zwei, 130 % nach vier oder 180 % nach acht Jahren) zu einem künftigen Termin zu leisten, und zwar völlig unabhängig von der Entwicklung des Goldpreises und der Ertragslage der BWF; dem ging voran, dass Geld vom Anleger hereingenommen worden ist, um auf eigene Rechnung ein Aktivgeschäft (hier vorgeblich: Handel von Kleinmengen Gold) betreiben zu können. Schließlich fehlte es an einer bankmäßigen Sicherung der Anleger, weil sie „ihr“ Gold der Stiftung als Sachdarlehen überließen, was bedeutet, dass das Gold (wenn sie jemals Eigentum erworben hatten) in das Eigentum der Stiftung übergehen sollte (vgl. § 607 BGB) die schuldrechtlichen Ansprüche auf Verschaffung entsprechenden Miteigentums an dem erworbenem Gold und/oder die Ansprüche auf Zahlung gegen die Endabnehmer der Kleinmengen waren keine vergleichbare Sicherung, da es sich dabei nur um schuldrechtliche Ansprüche handelte. Ob die Anleger zeitnahe Miteigentümer werden, hing vom Verhalten der BWF-Stiftung ab; an den Ansprüchen der BWF gegen die Abnehmer standen den Anlegern keine Vorzugsrechte zu.

Jedenfalls dann, wenn sich der Anleger nicht für die Herausgabe des ihm zugeschriebenen Goldbestands entschied, entsprach das Geschäft im wirtschaftlichen Ergebnis in vollem Umfang dem bei einem Sparzertifikat/Sparbrief. Dem Beklagten zu 1) musste angesichts seines beruflichen Backgrounds diese Parallele geläufig sein, so dass sich bei ihm zumindest erhebliche Zweifel hätten einstellen müssen. Zwar ist er als „Quereinsteiger“ – zuvor war er staatlich geprüfter Desinfektor und Zeitsoldat – zur Vermittlung von Finanzdienstleistungen bekommen. In diesem Bereich ist er jedoch schon seit 1993 – und damit 20 Jahre vor Vermittlung des hier streitgegenständlichen Golderwerbs – als freier Handelsvertreter tätig. Auch hat er bereits über 10 Jahre vor dem Erwerb des Goldes durch die Klägerin über Industrie- und Handelskammer zu Köln eine Qualifizierung zum Fachberater für Finanzdienstleistungen erfolgreich abgeschlossen.

Der Beklagte zu 1) durfte sich auch nicht darauf verlassen, dass die Kempkes Rechtsanwaltsgesellschaft mbH das Anlagemodell der BWF-Stiftung geprüft und offenbar für rechtmäßig erachtet hatte. Der Beklagte zu 1) hat insoweit schon nicht vorgetragen, dass er sich bei den Rechtsanwälten im Vorfeld informiert hätte, ob es sich um ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft handeln könnte. Es mag daher zwar sein, dass der Beklagte zu 1) „gutgläubig“ darauf vertraut hat, dass schon alles seine Richtigkeit haben werde. Aus den genannten Gründen hätte er sich damit jedoch nicht zufrieden geben dürfen, wenn er seiner Pflicht zur eigenständigen Prüfung der Zulässigkeit des Geschäfts genügen wollte (vgl. zum Ganzen: LG Nürnberg-Fürth, End-Urt. v. 30.12.2015, a.a.O.).

Der Beklagte zu 1) hätte auch schon angesichts der Strafandrohung des § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG eigenständig und mit kritischem Sachverstand (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 75. Auflage 2016, § 280 Rn. 49) prüfen müssen, ob eine Erlaubnispflicht nach KWG besteht.

Von einem Fachberater wie dem Beklagten zu 1) kann und muss erwartet werden, dass er sich erkundigt, ob eine Erlaubnis nach dem KWG erforderlich ist. Wenn er insoweit einem Irrtum unterlegen sein sollte, würde dies an seinem Verschulden nichts ändern. Unvermeidbarkeit hinsichtlich eines etwaigen Irrtums über die Erlaubnispflicht könnte nur angenommen werden, wenn der Anlageberater bzw. – vermittler hinreichende Auskünfte über eine Erlaubnispflicht eingeholt hat, vorzugsweise durch Einholung einer Auskunft der Erlaubnisbehörde. Es gilt, dass für jemanden, der im Geschäftsleben steht, ein Irrtum über das Bestehen eines Schutzgesetzes, das für seinen Arbeitsbereich erlassen wurde, nahezu immer vermeidbar ist. Denn jeder ist im Rahmen seines Wirkungskreises verpflichtet, sich über das Bestehen von Schutzgesetzen zu unterrichten (vgl. BGH, Urt. v. 15.05.2012 – VI ZR 166/11 – NJW 2012, 3177, 3180, Rn. 23 m.w.N.). Der Beklagte zu 1) hat noch nicht einmal vorgetragen, sich über das Bestehen einer Erlaubnispflicht erkundigt zu haben, geschweige denn bei der BaFin nachgefragt zu haben (vgl. zum Ganzen auch: LG Traunstein, Urt. v. 09.08.2013 – 5 O 4710/11 – BeckRS 2014, 21186).

Der Beklagte zu 1) hat nach alledem seine Aufklärungspflichten verletzt. Dies begründet die Vermutung, dass die Klägerin sich zur Vermeidung von weiteren Risiken bei korrekter Unterrichtung gegen die verfahrensgegenständliche Anlage entschieden hätte. Diese Vermutung ist nicht wiederlegt; vielmehr spricht gerade der Umstand, dass es der Klägerin auf eine sichere Anlage ankam, dafür, dass sie von der Anlage Abstand genommen hätte.

Ob daneben auch ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 32, 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG begründet ist, kann auf sich berufen.

Die Klägerin kann daher verlangen, so gestellt zu werden, wie sie stünde, wenn sie nicht die Anlage GOLD STANDARD getätigt hätte. Sie hat daher Anspruch auf Ersatz der investierten 80.000,00 €. Unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung hat die Klägerin, wie angeboten, die Ansprüche aus der Kapitalanlage gegen den Bund Deutscher Treuhandstiftungen e.V. herauszugeben. (…)

 

 

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Autor: Thomas Diler / Google+
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